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 Verstopfungen 

 

 

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Immer wenn ich reise bekomm ich übelste Verstopfungen. Meine Mama auch. Die isst Leinsamen dagegen. Ich trink meistens Kaffee. Wirklich helfen tut’s nicht. Ich habs jetzt auch mal probiert mit den Samen. Und warte noch. Das Schlimme ist, ich hab natürlich trotzdem noch Hunger. Und pupsen muss ich auch ganz schlimm. Ich krieg nix geschissen. 

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Zwei Wochen dauert der Urlaub, von meiner Ma und mir. Die erste Woche in Napoli in ner kleinen Airbnb Bude. Beide haben wir schlecht geschlafen, war mir zu heiß und meiner Mutter zu laut. Dafür war der Darm aber noch besser in Takt. Den ganzen Tag das Chaos von Napoli erkundet und gehasst. Verstopfte Straßen. Pompeji und archäologischen Museen. Ischia auch, obwohl wir eigentlich nach Capri wollten. Da hatte ich Anfang des Jahres ein Buch gelesen, dass berichtete, das laut der Sage Kirke auf Ischia verbannt wurde. Spuren von dieser Sage hab ich bei dem Besuch nicht gefunden. Nur wieder ne alte Burg. Die Ma besteigen wollte. Was wir dann aber letztlich doch nicht gemacht haben, weil der Fahrstuhl kaputt war. War den ganzen Aufenthalt schlecht gelaunt. Ma wollte dann immer am Strand chillen, obwohl wir keine Strand Sachen dabei hatten, das hat mich kirre gemacht. Wollte dann einfach nen Badeanzug oder so kurz kaufen, wir also in den Laden. Ernüchterung: mir passt mal wieder nix, weil meine Brüste einfach zu groß sind. Noch schlechtere Laune. Das Intimste was uns passierte war wohl eine Taufe in einer kleinen Kirche in die wir reinstolperten.

 

Wo ich mich direkt daheim fühlen konnte, waren die kleinen Spätis in Napoli. Da konnte man schön gepflegt jeden Abend reinstolpern sich den gekühlten Prosecco aus der Vorrichte holen und dann gepflegt am Strada cornern. Das ist was ich ordentlich nenne. Und dann die zweite Woche richtig entspannt in nem BnB direkt am Meer an der Amalfi Küste. Zwischen Vietri und Cetara. Richtiger heckmeck dahin zu kommen. War nicht einfach. Unzuverlässige Busse und so. Koffer manisch an Küstenstraße hinter uns hergezogen, da der Bus zu früh gehalten hat. Definitiv Nahtod Erfahrung. 

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02.09. 

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Heute waren wir dann in Vietri. Immer noch verstopft, auch die Straßen. Deswegen bei Rückkehr erstmal noch nen Kaffee gemacht. Meistens hilft das. Hat aber dann auch nix gebracht. Hab auf den Rat meiner Mutter dann nochmal die Leinsamen reingestopft, diesmal aber mit Milch. 

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„Damit die bissle quellen können.“ 

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Jetzt weiter warten. Das hindert mich nicht weiterhin Brot, Oliven und eingelegtes Gemüse zu essen. Wäre ja auch schade. Dabei beim Abendessen wieder das heikle Thema meiner Zukunft aufgekommen. 

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„Du machst das ja jetzt noch ein Jahr. Und dann die Masterarbeit, oder ist die da mit drin?“ 

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War die einleitende Frage bezüglich meines Studiums. 

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Scheiße! Das wieder. 

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„N halbes Jahr sagt man, braucht man.“ 

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Dabei verschweige ich, dass ich bereits ein halbes Jahr für meine Bachelorarbeit gebraucht hab, also mindestens ein Jahr für meine Masterarbeit brauchen werde. 

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„Ja und wie sieht es dann danach aus? Willst du dir nicht eine Promotion überlegen. Weisch des isch halt sicher.“ 

 

Ich hasse mich dafür, dass ich ihr diese Überlegung von einem halben Jahr mal angedeutet hatte. Man ist selbst ja auch mal verwirrt, weiß nicht wohin und hat schlimme Gedanken. Da jetzt wieder raus kommen… 

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„Mama, so leicht ist das auch nicht da ne Stelle zu bekommen.“ 

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„Ja des wär halt was Sicheres.“ 

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„Ja ich meine ich denke, dass ich mich sowieso erstmal zweigleisig aufstellen muss. Einen Job der Geld gibt und dann noch einen den ich machen will.“ 

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Was sag ich da? Will ich mich umbringen? Meine Mutter verzweifeln lassen? Ich kann ihr doch nicht die Wahrheit sagen! 

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Passiert ist passiert. Meine Mutter schaut mich mit zweifelnden Augen an. 

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„Weisch ich will nur dass du unabhängig bisch. Dass du dann auch deine Meinung sagen kannsch, und keine Angst mehr haben musch. Dass du auf deinen eigenen Beinen stehst.“ 

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Die Unabhängigkeit, ein großes Thema für meine Mutter. Wie ein Mantra wiederholte sie dieses Wort während unseres Urlaubs immer wieder. Kein Wunder. War schließlich auch eine ganz andere Generation. Sie berichtete immer wieder, wie ihr nie jemand gesagt hatte, dass sie unabhängig werden solle. Das will sie nun bei mir nachholen. Leiden kann ich diese Zukunfts-Gespräche nicht. Ich mach mir selbst ja schon große Sorgen um mich. Hab keinen Plan wos hingehen soll. Die Zweifel meiner Mutter sind dann immer noch so ein Rückenstoß, dass all meine Zweifel wirklich berechtigt sind, weil sie zweifelt. Meine Mutter an mir zweifeln sehen ist immer schlimm für mich. 

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Nach einer Weile merkt sie, dass sie mich verletzt hat, versucht das Thema zu wechseln und sagt später, dass mein Studium ja sehr anspruchsvoll sei und ich so viel wisse. Ich kann darauf nicht wirklich eingehen. 

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03.09. 

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Heute hat sichs dann endlich gelöst. Ich hab nach dem Schokocroissant, das es hier jeden Tag zum Frühstück gibt erstmal noch nen Hafen Leinsamen geschluckt. Natürlich mit Milch, damit die quellen. Ma ist dann schonmal runter an Strand und ich hab noch im Zimmer gewartet, dass es endlich soweit ist. Und dann ists passiert. Ziemlich unspektakulär. Normalerweise muss ich immer mehr pressen, aber das kam einfach so ganz problemlos. Hatte mir allerdings gewünscht, dass es mehr gewesen wäre. Dann folgte ich Ma zum Strand. Ziemlich stolz auf mich, da ich heute ziemlich weit raus geschwommen bin, bis zu so nem gelben Ding im Meer, das Territorien klarstellen soll. Jedenfalls bin ich dahin geschwommen immer mit den YouTube Videos im Kopf die Hai Attacken zeigen. Spannungsgefühle breiten sich in mir aus, wenn ich diese Shark-Attack-Videos ansehe. Ist das krankhaft? Dass ich hinschauen will, weil eine konkrete Wahrscheinlichkeit besteht, dass jetzt gleich ein Mensch verletzt werden kann? In real life will ich nie nem Hai begegnen! Mit diesen Bildern im Kopf war meine Tat ziemlich mutig, finde ich. Bin dann auch gleich nochmal ne Runde geschwommen. Morgen will ich dann dreimal zu dieser gelben Nudel schwimmen. Sehe darin eine Arte Mutprobe für mich. Das mit der Zukunft, dachte ich heute, das bekomme ich schon hin. Zuversicht kann erstmal nicht schaden. 

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04.09. 

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Heute wiederum sieht es ganz anders aus. Kein Tag, an dem ich mich mag. Dafür läufts mim Darm nun besser. Kleine Böllchen machen sich sichtbar. Fühl mich einsam und hässlich. Nichts mehr über von der Zuversicht von gestern. Den Urlaub kann ich dadurch auch nicht mehr richtig genießen. Überdruss am Luxus. Heute fliegen aber auch ein Haufen Helikopter über unsern Privat-Strand. Die Frauen hier sind alle so schön braun gebrannt und tragen Höschen, die ihren schönen Po zeigen. Hab noch keine gesehen, die so ne Oma Hose wie ich trägt. Manchmal packt es mich, dieses Verlangen auch mal sexy sein zu können. So natürlich sexy. Natürlich sexy, wird bei mir unterstrichen, Word meint es gibt kein natürliches sexy, es gibt nur sexy. Sexy ist automatisch natürlich. 

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Die Helikopter-Sache hat sich übrigens geklärt. Es hat gebrannt, wohl ziemlich krass, haben die Rauchschwaden dann auch gesehen. Der Helikopter fliegt schon den ganzen Tag. 

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Alles verändert. Tage bekommen. Körper schwer, schwitze, aufgedunsen. 

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08.09. 

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Heute wieder daheim – also in T*. Und große Langeweile empfunden. Hab dann nen Waldspaziergang gemacht. Fühle mich in letzter Zeit so alleine. Hat vermutlich noch immer mit der Trennung zu tun. Vorher als ich wieder das Allein-Gefühl hatte, hab ich Taylor (also Swift) angemacht. Sie hilft. Fühle mich jetzt wirklich erwachsen werden. Alles wirkt so ernüchternd und traurig. Das fühlt sich erwachsen an. Mache mir viele Gedanken, was ich arbeiten werde. Seh mich gerade eher nicht in der freischaffenden Szene. Man braucht echt so viel Disziplin. Ich glaub, die hab ich in meiner Jugend aufgebraucht. 

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10.9. 

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Heute wieder Hass-Tag für mich. Fühl mich wieder ziemlich einsam. Weiß, dass Arbeit das Problem bissle lösen kann. Überlege jetzt während Spaziergang alle möglichen Projekt-Ideen. Ein Vlogging-Film. Oder mein Roman. Ständig läuft n Opi vor mir her und ich will ihn nicht überholen. Hasse es auf Spaziergängen Menschen zu treffen. Jedenfalls hab ich extra nen Umweg genommen, damit ich mein Lauftempo nicht ständig an seins anpassen muss. Aber jetzt nach ca 20 Min hab ich ihn schon wieder aufgeholt. Muss jetzt hinter Bäumen versteckt warten, damit er wieder Vorsprung bekommt. Ich find ihn bisschen cool, er hat ne tolle rote Bomberjacke an. 

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Kleiner Nachtrag: 

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Kaum war ich aus dem Wald raus. Musste ich dann doch noch an ihm vorbei. Er saß auf ner Bank unterm Baum. Hat mich aber einfach ignoriert und hat aufs leere Feld gestarrt. Hasst vermutlich auch die ganzen Jungspunde, die mit ihren Major-Kopfhörern vorbeirennen. 

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12.9. 

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Dann Abschied. Muss wieder nach H*. Ma trägt mir die Tasche bis zum Auto, das hinter der Garage steht. Sie fährt uns irgendwie nie gerne zum Bahnhof. Das mach immer Pa. Ich will ihr noch unbedingt für den Urlaub danken. Wir stehen neben dem Auto nebeneinander. Wartend. Ma beginnt dann mit dem Abschied. 

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„Pass auf dich auf! Und wenn was isch dann rufsch an!“ 

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Kommt auf mich zu und umarmt mich. 

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„Danke Mama, für den Urlaub und dass du mich mitgenommen hast!“ 

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„Nichts lieber als das mein Schatz! Das weißt Du. Nichts lieber!“ 

Mir treten Tränen in die Augen. Ich würde ihr so gerne mehr von mir erzählen. Dass ich verzweifelt bin, nicht weiß wohin mit mir und immer noch nicht über die Trennung hinweg bin. Sagen tue ich: 

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„Okay.“ 

 

Wir lösen uns und schauen uns in die vertränten Augen. Verschämt warten wir dann weiter auf Pa. 

Anonymae 

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